
„Neudeutsche Bücherstube“ in Halle an der Saale
Das Jahr 1933 bedeutete auch für Otto Dausien einen dramatischen Einschnitt. Als Nazigegner wollte er sich nicht mit der neuen Zensur abfinden und geriet wegen verschiedener illegaler Bücher in Schwierigkeiten. Immerhin konnte er sich dem Kriegsdienst weitgehend entziehen.
in der Hospitalstraße 4
Beim Bombenangriff 1945 auf Halle verlor er seine Frau, die ihm drei Kinder hinterließ. Eines davon war Werner Dausien, der nach dem Krieg in Hanau seinerseits eine Buchhandlung und den Dausien Verlag eröffnete. Mit der Buchhandlung in Halle ging es unter schwierigen Bedingungen weiter. Nach der Zensur der Nazis waren es nun die sowjetische Besatzung und die DDR-Regierung, die meinem Vater vorschreiben wollten, was er zu verkaufen hatte und was nicht. Otto Dausien war ein sparsamer Mensch, dem es schon deshalb widerstrebte, Bücher wegzuwerfen. Also hortete er auch vieles, was auf dem sozialistischen Index stand. Das führte nach mehreren Durchsuchungen zu Strafverfahren und letzten Endes dem Entzug der Einzelhandelserlaubnis. Die Neudeutsche Bücherstube wurde zwangsweise dem Volksbuchhandel eingegliedert und Otto Dausien musste in angestellter Position arbeiten, z.T. in seiner ehemals eigenen Buchhandlung. Zuvor aber lernte er Inge Bielefeld kennen, die bei ihm eine Lehre zur Buchhändlerin machte. Sie war so jung wie seine Tochter und gerade frisch geschieden, kurzum: Otto machte ihr einen Heiratsantrag. Aus dieser Ehe, 1956 geschlossen, gingen meine Schwester Bettina und ich hervor. Nachdem nun Ende der 50er die Repressalien immer schwerer zu ertragen waren und bereits der größte Teil von beiderlei Verwandtschaft in den Westen gegangen war, kehrte auch unsere Familie 1961 der DDR den Rücken. Der Legende nach fuhr unser Vater, der zeitlebens ein recht gelassener Mensch war, am 13. August mit der letzten U-Bahn vom Ost-Berliner Bahnhof Friedrichstraße in den Westen der Stadt, wo der Rest der Familie schon auf ihn wartete. Von da aus ging es mit dem Flugzeug nach Frankfurt.