Ein bisschen wie Unendlichkeit von Harriet Reuter-Hapgood

Ein bisschen wie Unendlichkeit von Harriet Reuter-Hapgood

02.03.2017

Bevor ihr durch meine Worte auf eine falsche Fährte geleitet werdet, eins vorweg: Ihr solltet "Ein bisschen wie Unendlichkeit" unbedingt lesen. Egal, welche Vorstellungen ihr euch im Vorfeld von diesem Buch macht. Nehmt es zur Hand und lasst euch darauf ein. Auf all die traurigen, verrückten, bewegenden und zauberhaften Momente.

"Ich will alles los sein: Haare, Party, Garten, Jason, Wurmlöcher, Zeit, Tagebücher, Tod - besonders den Tod, ich habe lebenslang genug davon."  Ich habe "Ein bisschen wie Unendlichkeit" empfohlen bekommen und dann ins Regal gestellt. Ich habe es auf Empfehlung wieder herausgenommen, um es zu lesen. Den Klappentext habe ich mir nicht angeschaut. Was mich erwarten würde, war mir unklar. Das Cover ist nicht mein Geschmack. Mit all den bunten Farben, suggeriert es mir eine kitschige Geschichte. Nach wenigen Seiten weiß ich, es hat einen Bezug zur Physik, zu Wurmlöchern und Zeitstrudeln.  Ein Buch über Physik? Was will ich damit? (Zur Info: meine Physiknote trug in den Klassen 8 - 10 den Namen mangelhaft) Wie soll ich mich auf so ein Buch einlassen?

Die Figuren haben es möglich gemacht. Sie haben mich mitgenommen und dafür gesorgt, dass ich unbedingt ihre Geschichte, diesen für sie absolut wichtigen und verändernden Abschnitt ihres Lebens kennenlernen wollte. Gottie, der es mit präziser Treffsicherheit gelingt das Falsche zu tun, Thomas, der sowas von absolut sympathisch ist, Gotties Bruder Ned, der Sänger einer Rockband namens Fingerband ist, Gotties und Neds Vater, der ein bisschen in seiner Zeit hängen geblieben ist und der verrückte, der großartige, der besondere Grey, der nun leider nicht mehr lebt und mit seinem Tod den Boden unter den Füßen seiner Familie mitgerissen hat.

"Aber seit Grey gestorben ist, gelingt es mir kaum, mit meinen eigenen Freunden zu reden, geschweige denn mit denen anderer. Mein gesamter Wortschatz wurde mit ihm eingeäschert."

Der Tod ist kein seltenes Thema in der Literatur. Auch nicht in Jugendbüchern, denen man gerne eine Verharmlosung der Welt vorwirft. Harriet Reuter-Hapgood beweist das Gegenteil. Menschen verarbeiten den Tod auf unterschiedlichste Arten. Von Trauer über Wut bis hin zu Verdrängung und psychischen Erkrankungen kann alles dabei sein. Diese Erfahrung muss auch Gottie machen, die nicht nur den Tod eines, sondern zweier geliebter Menschen verarbeiten muss und deshalb völlig aus der Bahn geworfen wird. Ihr Blickwinkel, ihre Sichtweise auf die Welt verschiebt sich so sehr, dass ihre Familie, ihre Freundschaften und nicht zuletzt sie selbst, daran zerbrechen würden, wenn es nicht in allem Dunkel immer auch ein Licht geben würde. Der Tod verschwindet nicht. Ich weiß auch nicht, ob es stimmt, dass der Schmerz vergeht, aber das Leben geht weiter. In all seiner Pracht und Schönheit. Und es kommen und gehen Menschen, die wir lieben. Und eben die Menschen im Auge zu behalten, die wir lieben und die uns lieben, das ist das Wichtigste im ganzen Leben, denn sie sind das, was das Leben ausmachen. Danke liebe Gottie, lieber Thomas, lieber Grey, dass ihr uns alle daran erinnert.

 Nanni bloggt auf ihrem Buchblog Fantasie & Träumerei und regelmäßig für den Buchladen am Freiheitsplatz.

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gebundenes Buch, 384 S.
Sprache: Deutsch
Fischer Sauerländer
ISBN: 9783737340335