hr-iNFO Büchercheck: Alles Licht, das wir nicht sehen von Anthony Doerr

hr-iNFO Büchercheck: Alles Licht, das wir nicht sehen von Anthony Doerr

25.06.2015

 

Der Pulitzerpreis ist der wichtigste US-amerikanische Medienpreis. In diesem Jahr ging er in der Kategorie Belletristik an den 1973 geborenen Anthony Doerr für seinen Roman „Alles Licht, das wir nicht sehen“. hr-iNFO Bücherchecker Alf Mentzer hat den Roman gelesen.

Worum geht es?
Es geht um drei Menschen, deren Wege sich während des zweiten Weltkriegs in der bretonischen Hafenstadt Saint-Malo kreuzen: Marie-Laure, ein blindes sechszehnjähriges Mädchen, das 1940 vor den Nazis aus Paris an die Atlantikküste geflüchtet ist, und dort Botschaften des Widerstandes an ihren Onkel übermittelt. Da ist der achtzehnjährige Werner Hausner, ein hochbegabtes Waisenkind, das auf einer nationalsozialistischen Eliteschule zum Funkspezialisten ausgebildet wurde. Und da ist der Stabsfeldwebel Reinhold von Rumpel, ein Nazischurke, wie er im Buche steht, der auf der Jagd nach einem legendären Diamanten, der zu Beginn des Krieges aus dem Pariser Museum, in dem Maries Vater Schlüsselwärter war, verschwand.

Wie ist es geschrieben?
Anthony Doerr versteht es, in kurzen, temporeichen Kapiteln Spannung zu erzeugen. Gleichzeitig ist es ein Roman voller anrührender aber auch packender Details wie die Szenen in Napola, der NS-Erziehungsanstalt, in der jede Menschlichkeit ausgetrieben wird. Anrührend ist dagegen, wie Maries Vater für seine blinde Tochter sorgt und zur besseren Orientierung ein maßstabsgerechtes Modell der Stadt bastelt:
„Das Modell ihres Vaters riecht nur nach getrocknetem Kleber und Sägemehl. Für Marie-Laures Finger ist es ein wenig mehr als eine kleine, unzureichende Nachbildung. Aber er besteht darauf, dass sie mit den Fingern darüber fährt, um die verschiedenen Häuser zu erkennen, die Lage der Straßen. Und eines kalten Dienstags, mehr als ein Jahr nach ihrer Erblindung, führt ihr Vater sie die Rue Cuvier hinaus, bis an den Rand des Jardin des Plantes. Er nimmt sie auf den Arm und dreht sich dreimal mit ihr im Kreis. Und jetzt, sagt er, bringst Du uns wieder nach Hause. Sprachlos öffnet sie den Mund. Ich möchte, dass Du Dir das Modell vorstellst, Marie.“

Wie gefällt es?
Ich habe den Roman gerne gelesen und das fast in einem Rutsch, auch wenn er mehr als 500 Seiten lang ist. Die Figuren sind interessant, die Handlung spannend und das Ende dramatisch, wenn auch für meinen Geschmack ein wenig zu melodramatisch. Ohnehin erkennt man an vielen Stellen das Kalkül, mit dem Anthony Doerr diesen Roman geschrieben hat, und das macht vieles der verschlungenen Handlung dann doch allzu erwartbar.

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Das Buch finden Sie auch in unserer Vorstellung vom 19.09.2014

 

hr-iNFO

19,95 € inkl. MwSt.
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gebundenes Buch, 519
Sprache: Deutsch
11. Aufl.
ISBN: 9783406680632