hr-iNFO-Büchercheck: Der Fall Meursault von Kamel Daoud

hr-iNFO-Büchercheck: Der Fall Meursault von Kamel Daoud

24.03.2016

Um den algerischen Journalisten und Schriftsteller Kamel Daoud ist ein richtiger Hype entstanden, nachdem sein Buch „Der Fall Meursault – eine Gegendarstellung“ auf dem Markt ist und nun auch in deutscher Übersetzung vorliegt. hr-iNFO Bücherchecker Frank Statzner hat den Roman gelesen.

Worum geht es?

Albert Camus schildert in seinem Roman „Der Fremde“ den sinnlosen Mord eines Franzosen an einem Algerier, die Gleichgültigkeit des Täters, seine Gottlosigkeit, seine Verlorenheit. Das war 1942. Der Mörder heißt Meursault. Das Opfer bleibt in dem Buch des Nobelpreisträgers dagegen namenlos und heißt lediglich „der Araber“.
Nun, über 50 Jahre nach dem Zusammenbruch der französischen Herrschaft in Algerien, hat der Algerier Kamel Daoud diesen Mordfall neu aufgerollt. Der Araber bekommt einen Namen. Moussa. Sein Bruder erzählt die Geschichte weiter. Aus seiner Sicht.

Wie ist es geschrieben?
Daoud deklariert sein Buch als Roman und als Gegendarstellung zu Camus Roman. Beides stimmt nicht. In der Form handelt es sich um einen Monolog, in der Sache eher um eine Ergänzung des Fremden von Camus. Der Täterperspektive folgt jetzt die Sicht der Opferfamilie. Der Bruder lässt noch einmal die Empörung aufleben und beschreibt lamentierend den Weg in seine eigene Gleichgültigkeit. Dabei nimmt er immer wieder auch Bezug zum Werk Camus, an dem er sich gewissermaßen intellektuell abarbeitet.

„Ich persönlich mag einfach nicht, was sich in den Himmel erhebt, sondern nur, was Schwere und Schwerkraft teilt. Ja, ich wage, es dir zu sagen, mir graut vor den Religionen. Vor allen! Weil sie das Gewicht der Welt verfälschen. Manchmal habe ich Lust, die Mauer einzureißen, die mich von meinem Nachbarn trennt, ihm an den Hals zu gehen und ihn anzubrüllen, mit seinen heulenden Rezitationen aufzuhören, die Welt zu akzeptieren, wie sie ist, seine Augen auf seine eigene Kraft und Würde zu richten und damit aufzuhören, hinter einem Vater herzurennen, der in den Himmel abgehauen ist und nie wiederkommen wird.“

Wie gefällt es?
Weil Daoud die Geschichte Camus weiter spinnt, ist der zeitliche Horizont hier ein gänzlich anderer. Er reicht bis zur Gegenwart. Im Kern ist es die Kritik an der algerischen Gesellschaft, von den Unabhängigkeitskriegen bis heute. Für uns im Westen, die Zeitgenossen der Silvesternacht in Köln und anderswo, macht Daoud damit nochmal sehr deutlich: Araber ist nicht gleich Araber.

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gebundenes Buch, 208 S.
Sprache: Deutsch
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co KG
ISBN: 9783462047981