hr-iNFO Büchercheck: Der Ort von Andreas Meier

Die Wetterau als Schauplatz von Literatur. Das macht Andreas Meier möglich. Er ist dort aufgewachsen und widmet der Gegend um Bad Nauheim ein elfbändiges Romanprojekt. Das Zimmer, Das Haus, Die Straße, so heißen die bisherigen Romane. Nun liegt der vierte Band vor: Der Ort. Der neue Roman spielt in Friedberg Anfang der 80er Jahre. Andreas Meier pubertiert. Es gibt keine Umgehungsstraßen. Die Jugendlichen lustwandeln noch über Feldwege zu einsamen Kapellen. hr-iNFO Bücherchecker Frank Statzner hat den Roman gelesen.

Worum geht es?
Andreas Maier erzählt die Geschichte vom Erwachsen werden und lässt selbst Erlebtes und Fiktion ineinander fließen. Der Jugendliche Andreas im Roman hängt zwar mit den Gleichaltrigen ab, bleibt aber dennoch Einzelgänger. Er verliebt sich in Katja, will diese Liebe aber nicht ausleben. Er flieht in die Literatur, identifiziert sich mit Romanfiguren und ahmt sie nach. Das führt ihn an Abgründe. Nachts geistert er durch Friedberg. Die Dinge, die er sieht in seinem Umfeld, bekommen für ihn ein Eigenleben. Ich war verrückt, sagt er an einer Stelle. Ein Mensch außer sich.

Wie ist es geschrieben?
Auf 150 Seiten erzählt Andreas Maier die Pubertät seines anderen Ichs. Er erzählt direkt, nah an den Menschen, nah am Geschehen, nah an der Landschaft. Man kann den Atem anhalten mit diesem Helden, man kann aber auch sinnlich erfüllt ausatmen. Dabei gelingen Andreas Maier großartige Szenen. Zum Beispiel als er die Choreografie beschreibt, mit der sich Andreas und seine geliebte Katja auf einer Party umwerben:

„Alles war von mir genommen, ich hatte keinerlei Fragen, es gab keine Notwendigkeiten, etwas hatte sich plötzlich aufgelöst. Im Zentrum dieser Empfindung stand übrigens zunächst gar nicht Katja Melchior, sie stand ja nur schräg an mir, aber durch ihre Schulter, ihr Schulterblatt und ihre Hand erfolgte in diesem Moment die vielleicht größte Operation, die man seit meiner Geburt an mir vorgenommen hatte. Das Gefühl, das mich durchströmte und von Katja ausging, fühlte sich an wie eine komplette Ruhe. Dieses Gefühl war für mich völlig neu. Als drehe man den Ton weg, und alles wird still.“

Wie gefällt es?
Es ist ein eindringliches Buch, das mich vom ersten Absatz an gefangen genommen hat. Die Natur- und Milieubeschreibungen, der Kampf des Helden gegen die Welt und sich selbst. Es hat mich zurück geleitet in die Zeit meiner eigenen Pubertät. Ich habe Empfindungen erinnert, Haltungen, Posen, die ich längst vergessen hatte. Das ist einfach bezaubernd.