hr-iNFO Büchercheck: Scheintod von Eva Demski

hr-iNFO Büchercheck: Scheintod von Eva Demski

31.07.2014

Eva Demski, Autorin vieler Romane und Essaysammlungen, Reiseschriftstellerin und Journalistin hat in diesem Frühjahr wieder einen Roman veröffentlicht. Dass es keine Neuerscheinung ist, kann man nicht auf den ersten Blick erkennen. Eva Demskis „Scheintod“, zum ersten Mal im Jahr 1984 erschienen, wurde vom Insel Verlag anlässlich des 70.Geburtstags der Autorin im Mai wieder aufgelegt. hr-iNFO Büchercheckerin Sylvia Schwab hat ihn gelesen.

Der Roman spielt im Jahr 1974, da wird ein junger Anwalt, er ist Anarchist, tot in seiner Kanzlei aufgefunden. Die Umstände sind ungeklärt, die Polizei ermittelt. Denn zu seiner Klientel gehörten RAF-Mitglieder, Rocker, Junkies, Knastis. Seine Frau, die seit drei Jahren von ihm getrennt lebt, muss sich nun noch einmal mit ihm auseinander setzen. Mit seiner Arbeit, seinen politischen Aktivitäten, ihrer Liebe. Bald gerät auch sie ins Visier der Ermittlungen und der Leute aus dem Untergrund. Um zu begreifen, welche Rolle ihr Mann da spielte, sucht sie seine Kollegen auf, Mandanten und Genossen. Und damit passiert beides: Ihr Mann kommt ihr wieder sehr nah – und zugleich wird er ihr immer fremder.

Wie ist es geschrieben?
Der Text ist wie diese Frau, von der er erzählt: zupackend und stark. Es ist eine große Emotionalität spürbar. Trauer, Wut, Selbstzweifel. Aber die kommen nicht sentimental oder pathetisch daher, sondern wie gebändigt - in geballter Kraft. Wie zum Beispiel in der folgenden Textstelle vom Anfang des Romans:
Als der Mann gestorben war, schien niemand es für nötig zu halten, ihn in angemessener Zeit unter die Erde und damit allmählich aus den Köpfen seiner Umgebung zu bringen. Das letzte, was die Frau von ihm gesehen hatte, war ein badewannenartiger Zinksarg gewesen, den zwei graugekleidete Männer leise fluchend um die enge Spindel des Treppenhauses drehten. Vier Stockwerke waren es. Die Frau war oben stehengeblieben und wußte nicht, wie das Auto, in das sie den Sarg geschoben hatten, aussah. Grau? Schwarz?“

Wie gefällt es?
Gut gefällt mir dieser ganz spezifische Demski-Sound: das leise Schwingen zwischen Komik und Trauer, zwischen Ironie und Wehmut. Und interessant finde ich, diesen Roman heute wieder zu lesen. Wie nah oder fern ist uns die Zeit, in der er erschienen ist? Das Jahr 1974, als die Studentenbewegung versiegte? Und wie nah oder fern sind die wilden 68er Jahre, von denen er erzählt? Das ist ein Roman für Ältere, für Eva Demskis Zeit- und Altersgenossen. Aber gerade auch für junge Leser, die den deutschen Herbst selbst nicht miterlebt haben.

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gebundenes Buch, 399 S.
Sprache: Deutsch
Insel Verlag
ISBN: 9783458175933