hr-iNFO Büchercheck: Sterndeutung von Jan Himmelfarb

hr-iNFO Büchercheck: Sterndeutung von Jan Himmelfarb

20.03.2015

Jan Himmelfarb wurde 1985 in der Ukraine geboren und lebt heute im Ruhrgebiet. Er studierte Betriebswirtschaft und arbeitet in einem internationalen Industrieunternehmen. Sein Name ist ein Pseudonym und signalisiert, wie nah dem Autor das Thema der Judenverfolgung geht. Gerade erschien sein erster Roman: „Sterndeutung“. hr-iNFO Büchercheckerin Sylvia Schwab hat ihn gelesen. Worum geht es?

Arthur Segal, ein ukrainischer Jude, kommt Anfang der 1990er Jahre mit seiner Familie nach Deutschland. Arthur spricht sehr gut Deutsch und arbeitet als Übersetzer. Sein Einstieg in die bundesdeutsche Gesellschaft läuft fast wie geschmiert. Was ihn umtreibt, ist seine Biographie: Arthurs Lebensgeschichte bis zur Ausreise nach Deutschland, seine Erlebnisse hier einschließlich seiner Erfolge als halb-seriöser Autohändler. Und dann erzählt Arthur vom Schicksal all der Juden, die während des Krieges in Polen vergast, erschossen und gepeinigt wurden, während er per Zufall gerettet wurde. Der Himmel ist ein Leitmotiv, meist im Zusammenhang mit der gespenstischen „Himmelstraße“. So wird in Treblinka die Straße genannt, die zu den Gaskammern führt. Und auch der Titel „Sterndeutung“ ist vor allem übertragen gemeint. Als Sterne bezeichnet Arthur Segal die jüdischen Opfer des Holocaust. Weil sie damals Judensterne trugen, und weil sie alle tot sind.
Wie ist es geschrieben?
Der Roman springt vor und zurück. Das verunsichert einerseits, macht andererseits aber die brutalen Szenen einigermaßen erträglich. Jan Himmelfarb besitzt eine unglaubliche Sprachlust, Sprachwut und Sprachwucht. Vom Holocaust erzählt er so klar und kalt, dass es einen schüttelt. Und seine Sprache ist voller dramatischer Bilder. Wie in der folgenden Szene:
„Wer zwischen Gewehrläufen wartete, war der Jude. Die Nackten zwischen Bäumen und vor den Gruben waren allesamt Juden, wurden spätestens Juden, als sie zur unruhigen Erde sanken. Und waren nur Sara oder Israel. Wär‘ nicht das Auge sonnenhaft, die Sonne könnte es nie erblicken. Die Sonne raffte sich gerade erst zu kläglicher Winterarbeit auf, als kein einziger Jude aus Berlin mehr im Wäldchen wartete.“

Wie gefällt es?
Dieses Buch ist eine Herausforderung. Eine Gratwanderung zwischen Alltag heute und gespenstischer Vergangenheit. Man muss sich auf ein Wechselbad der Gefühle einlassen. Aber wenn man dazu bereit ist, kann man einen aufwühlenden Roman und einen sehr begabten jungen Autor entdecken.

21,95 € inkl. MwSt.
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gebundenes Buch, 394 S.
Sprache: Deutsch
Verlag C. H. BECK oHG
ISBN: 9783406674860