Das gestohlene Kind (kartoniertes Buch)

Das gestohlene Kind

The Stolen Child

Roman

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783442469864
Sprache: Deutsch
Seiten: 447 S.
Fomat (h/b/t): 3 x 18.7 x 11.8 cm
Bindung: kartoniertes Buch

Beschreibung

Eine phantastische Geschichte über die abenteuerliche Suche nach der eigenen Identität und den eigenen Wurzeln Der siebenjährige Henry läuft von zu Hause weg und versteckt sich im Wald. Kurze Zeit später wird er gefunden und seinen überglücklichen Eltern zurückgebracht. Niemand bemerkt, dass es nicht mehr dasselbe Kind ist. Geheimnisvolle Waldbewohner haben Henry Day ausgetauscht. Ein Kobold wächst in die Menschenwelt hinein, der wirkliche Henry wird zu Aniday und lebt in der Schattenwelt. Lange Zeit bleiben die Veränderungen den Menschen verborgen. Doch dann kommen sich die beiden Welten immer näher, und die Wege von Kind und Kobold kreuzen sich .

Leseprobe

Bezeichnet mich nicht als Feenwesen. Wir wollen nicht mehr als Feenwesen bezeichnet werden. Vor langer Zeit war das ein vollkommen akzeptabler Sammelbegriff, aber heute hat er zu viele Bedeutungen angenommen. Etymologisch betrachtet sind wir verwandt mit den Najaden oder Wassernymphen, und was das Geschlecht angeht, sind wir von ganz eigener Art. Das Wort Fee ist abgeleitet vom altfranzösischenße, das wiederum vom lateinischenfata, Schicksalsgöttin, abstammt. Die Feen lebten in Gruppen in einem Reich, Feenland genannt, zwischen den himmlischen und irdischen Sphären. In dieser Welt existiert eine ganze Reihe sublunarer Teufel oder Geister, die carminibus coelo possunt deducere lunam [durch ihre Beschwörungen können sie den Mond vom Himmel herabhexen]. Seit Vorzeiten unterteilt man sie in sechs Arten: in feurige, luftige, erdige, wässrige und unterirdische Teufel, wozu noch die Feen und Nymphen kommen. Von den Feuer-, Wasser- und Luftgeistern weiß ich so gut wie nichts. Aber die irdischen und unterirdischen Teufel kenne ich nur allzu gut, sie gibt es in unendlicher Vielfalt, ebenso wie die mit ihnen einhergehenden Sagen über ihr Verhalten, ihre Gebräuche und ihre Kultur. Auf der ganzen Welt kennt man sie unter verschiedensten Namen - Laren, Genien, Faune, Satyrn, foliots, Elben, Pucks, Wichtelmännchen, Pukas, Sidhe, Trolle -, und die wenigen, die es heute noch gibt, leben so versteckt in den Wäldern, dass der Mensch ihnen nur selten begegnet. Wenn ihr mir denn unbedingt einen Namen geben müsst, so nennt mich einen Kobold. Oder besser noch: Ich bin ein Wechselbalg, ein Changeling - ein Wort, das erklärt, wozu wir gezwungen sind, was wir beabsichtigen zu tun. Der Kobold wird zum Kind, und das Kind wird zum Kobold. Nicht jeder Junge oder jedes Mädchen kommt für diesen Austausch in Frage, sondern nur die einsamen Seelen, die ratlos vor ihrem jungen Leben stehen oder auf die Welt als Jammertal eingestimmt sind. Die Wechselbälger wählen sorgfältig aus, denn eine solche Gelegenheit bietet sich ihnen vielleicht nur ein einziges Mal im Laufe eines Jahrzehnts. Ein Kind, das Teil unserer Gemeinschaft geworden ist, muss vielleicht ein ganzes Jahrhundert warten, ehe es im Kreislauf unserer Ordnung an ihm ist, uns zu verlassen und wieder in die menschliche Welt einzutreten. Die Vorbereitungen sind aufwändig, sie fordern eine genaue Beobachtung des Kindes sowie seiner Freunde und Familie. Dies muss selbstverständlich unbemerkt vonstatten gehen, und am besten wählt man das Kind aus, ehe es zur Schule geht. Später wird es komplizierter, da man über die engste Familie hinaus sich unendlich viele Informationen einprägen und diese verarbeiten muss. Zudem muss man fähig sein, sich nicht nur die Persönlichkeit und Geschichte des Kindes anzueignen, sondern auch seinen Körperbau und seine Gesichtszüge. Mit Säuglingen geht das am leichtesten, doch für sie zu sorgen, ist für die Kobolde ein Problem. Am besten sollten die Kinder sechs oder sieben Jahre alt sein. Ist das Kind älter, hat es bereits ein stärker entwickeltes Ich-Gefühl. Doch gleichgültig, wie alt oder jung es ist, das Ziel besteht darin, die Eltern so zu täuschen, dass sie glauben, der Wechselbalg sei ihr Kind. Was leichter ist, als es sich die meisten vorstellen. Nein, die Schwierigkeit liegt nicht darin, sich die Geschichte eines Kindes zu eigen zu machen, sondern im schmerzhaften körperlichen Vorgang des Wechsels. Zuerst dehnt man seine Knochen und die Haut, bis man zitternd bei der annähernd richtigen Größe und Körperform einrastet. Dann beginnen die anderen mit der Arbeit am neuen Kopf und Gesicht, was ihnen die Fähigkeiten eines Bildhauers abverlangt. Da ist beträchtliches Zerren und Ziehen am Knorpel vonnöten, als wäre der Schädel ein weicher Lehm- oder Karamellklumpen, und dann die tückische Sache mit den Zähnen, das Entfernen der Haare und das mühsame Einweben der neuen. Die gesamte Prozedur verläuft ohne ein Gramm Schmerzmittel, nur einige wenige trinken widerlichen Alkohol aus