Das Wasser, in dem wir schlafen (kartoniertes Buch)

Das Wasser, in dem wir schlafen

Roman

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783442736942
Sprache: Deutsch
Seiten: 160 S.
Fomat (h/b/t): 1.5 x 18.7 x 12 cm
Bindung: kartoniertes Buch

Beschreibung

Zwei Schwestern haben sich, nachdem ihre Mutter die Familie verlassen hat, gegeneinander verschworen: Jede will mutiger sein als die andere, schlauer und vor allem begehrenswerter. Sie provozieren sich und stellen sich Prüfungsaufgaben, als sie sich aber in denselben Mann verlieben, verkehrt sich das Spiel in harten Wettstreit. Das Debüt einer jungen deutschsprachigen Autorin; ein Roman voller Poesie und in seiner sprachlichen Genauigkeit berührender Bilder - über eine Liebe, deren Gefahren zwei heranwachsende Frauen zu spät bemerken

Autorenportrait

Rabea Edel, geb. 1982, studierte Italianistik/Literaturwissenschaften in Berlin und Siena. Sie lebt als freie Autorin in Berlin. Für ihr Schreiben erhielt sie verschiedene Preise und Stipendien, u.a. war sie Preisträgerin des 12. Open Mike (2004) und Stipendiatin der Jürgen-Ponto-Stiftung (2005). Ihr Romandebüt "Das Wasser, in dem wir schlafen" wurde von der Kritik begeistert aufgenommen und vielfach ausgezeichnet u.a. nach Vorschlag von Hertha Müller mit dem Kunstpreis Literatur Berlin-Brandenburg (2006), sowie dem Nicolas-Born-Förderpreis (2007). 2009 war Rabea Edel Stipendiatin der Bundesregierung/Deutschen Akademie Rom in der Casa Baldi.

Leseprobe

Meine Schwester wurde auf einem Autobahnrastplatz zwischen zwei halbabgeernteten Weizenfeldern unter den von Vögeln schweren Kabeln der Starkstrommasten gezeugt, die Handbremse scheuerte in Mutters Rücken ein rotes Mal, das durch ihre weiße Bluse leuchtete und das ich eine Woche lang jeden Abend vor dem Zubettgehen mit Coldcreme einschmieren durfte, und als Vater viel zu schnell und mit geöffneten Augen kam, löste sich die Handbremse, und das Auto rollte einige Meter weit, stieß sacht mit der Kühlerhaube gegen den Stamm eines Baumes, der neben den Mülltonnen am Straßengraben seit Jahren dem Wind nachgab und sich krumm und alles andere als elegant in meine Richtung bog und dem Wagen standhielt. Es knirschte, Blech gegen Holz, das Auto blieb stehen, und Vater schloß die Augen. Meine Mutter hatte alle Fenster hochgekurbelt und mich in den Schatten unter die Bäume gesetzt. Aus den Mülltonnen roch es süßlich. Ein Motorradfahrer bog auf den Parkplatz ein, klappte das Visier des Helms hoch, blieb auf der Maschine sitzen und betrachtete Mutters Handballen, die sie von innen gegen die Scheibe preßte, ihr helles Haar und den in der Autotür eingeklemmten langen geflochtenen Zopf. 'Eingeklemmt', wiederholt Gregor und grinst. 'Ja, eingeklemmt', sage ich und halte seinem Blick stand. Wir sitzen auf der Veranda, Gregor hat seine nassen Kleider gewechselt, die mit Kreppband zugeklebten Fenster und alle Türen geöffnet, bis auf eine im oberen Stockwerk, und während ich von diesem Sommer erzähle, in dem Linas und meine Geschichte begann, im Monat der Schlammfliegen, die sich vom See her über das Dorf und später dann über die ganze Stadt legten, steht Gregor auf und läuft im Kreis auf der Veranda herum wie ein hungriges Tier. 'Setz dich', sage ich, 'bitte.' Gregor läßt sich neben mir an der Hauswand herabgleiten, auf den Holzboden fallen und schüttelt den Kopf. Ich strecke ihm meinen pochenden nackten Fuß entgegen. 'Was soll das?' 'Ich habe mir einen Splitter eingetreten, vorhin', sage ich. Und während Gregor ohne Widerrede meinen Fuß in die Hand nimmt - 'Du mußt ihn raussaugen, schau so', sage ich und presse meine Lippen auf meinen Handballen - und seinen Mund auf meinen linken Fußballen drückt, weiß ich wieder, daß das Thermometer in der Küche zweiunddreißig Grad zeigte, am frühen Morgen schon, als wir losfuhren, und daß Vater mit dem Fingerknöchel einige Male prüfend dagegenklopfte und wartete, daß es wieder fiele; so unvermutet, zusammenhangslos und weit entfernt dieser Gedanke auch von uns beiden, hier auf der Veranda meines Elternhauses, ist, so unvermutet, weil wir nicht wissen, was wir hier zu suchen haben, was zu tun ist und was zu unterlassen und warum ausgerechnet Gregor und ich, warum gerade wir beide übrig sind. Die Häuser versanken in einem braunen Teppich, der von den Bewegungen der Insekten flimmerte. Sie stiegen von den Algen im See hinter den Schrebergärten auf, setzten sich auf Fensterscheiben und Werbeschilder, überzogen die Kuppelgläser der Straßenlampen und die Gehsteige, und binnen weniger Minuten und ohne daß man sich versah, verschluckte man die Insekten, die einem in Mund und Nasenlöcher flogen, die Augen tränten vom Herauswischen abgerissener Flügel und Chitinteilchen, und Vater ließ die Scheibenwischer über das Glas laufen, bis er durch die Schlieren aus zerquetschten Insekten die Straße nicht mehr sah, den Blinker setzte und auf den Rastplatz einbog. Unsere Nachbarn fegten mehrmals am Tag die Gehwege vor den Häusern, die Terrassen und Veranden, sie putzten jeden Morgen die Fenster, um durch die Scheiben in den anderen Gärten nach dem Rechten sehen zu können, aber die Plage hielt an, und nach drei Wochen kehrten auch sie nur noch die toten Fliegen zusammen, so wie Vater, und füllten die Mülleimer damit. Ich mußte pinkeln. Mutter hielt mich über dem Feld ab, ihr Zopf baumelte über ihre Schulter und schlug mir ins Gesicht. Sie setzte mich unter die Bäume in den Schatten, hockte sich ebenfalls ins Gras, zog d