Engel des Universums (kartoniertes Buch)

Engel des Universums

Englar alheimsins

Roman

Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783442739172
Sprache: Deutsch
Seiten: 222 S.
Fomat (h/b/t): 1.6 x 18.7 x 11.8 cm
Bindung: kartoniertes Buch

Beschreibung

Über die schmale Grenze zwischen Wahn und Wirklichkeit Páll verlebt eine unbeschwerte Kindheit in Reykjavík. Doch in der Schule wird er von Kopfschmerzen heimgesucht. Schließlich wechselt er an eine Kunstschule und begegnet dort Van Gogh und Gaugin; ihnen fühlt er sich näher als seinen Mitmenschen. Langsam verschieben sich die Grenzen, Páll wird in die Nervenheilanstalt Kleppur eingeliefert - und stellt fest, dass er nur einer von vielen Verrückten ist. Einar Már Gudmundsson, einer der größten Dichter der isländischen Literatur, hat die tragische Geschichte seines geisteskranken Bruders zu einem aufsehenerregenden Roman verarbeitet, der irrsinnig komisch und zugleich zutiefst berührend ist. Ausgezeichnet mit dem Preis des Nordischen Rates.

Autorenportrait

Einar Már Gudmundsson, 1954 in Reykjavík geboren, ist einer der renommiertesten und erfolgreichsten Schriftsteller Islands. Seine Bücher sind in viele Sprachen übersetzt und vielfach preisgekrönt, u.a. mit dem Literaturpreis des Nordischen Rates sowie dem Nordischen Preis der Schwedischen Akademie.

Leseprobe

Nachdem ich nach Kleppur gekommen war, in die Irrenanstalt, die wie ein riesengroßes Schloß am Meer stand, erinnerte ich mich an damals, als ich ein kleiner Junge war und an einem regengrauen Nebeltag auf der löcherigen Straße stand und die Häuser und Pfützen anguckte. Da fiel mein Blick plötzlich auf einen Mann mittleren Alters. Er kam die regennasse Treppe an einem der Häuser herunter. Neben ihm lief sein Sohn, ein aufgeschossener Jüngling um die Zwanzig. Der Sohn hatte dunkles, lockiges Haar. Er trug eine kurze Lederjacke mit dunklem Pelzkragen, der Vater einen hellen Anorak und saubere, weiße Arbeitshosen. Der Vater hielt den Sohn an der Schulter und schob ihn grob vor sich her. Die Ärmel eines karierten Hemdes ragten aus der Jacke heraus, und sein Haar war eigentümlich farblos in dem Nebel. Als sie auf die Straße kamen, lief ich zu ihnen und rief dem Vater zu: "Wo willst du hin mit ihm?" Der Vater drehte sich um, doch ohne die Schulter des Sohnes loszulassen. "Nach Kleppur", blaffte er. Ich sah, daß seine Stirn vor Nässe glänzte. Er sah aus, als ob er mit den Zähnen knirschte. Hinter dem Grau der Augen brannten Feuer. Dann waren sie in den Nebel verschwunden. Er hatte sie verschluckt wie in den geheimnisvollen Märchen, die mir Mama abends erzählte und die meistens mit den Worten anfingen: "Es war einmal vor langer, langer Zeit." Darin verschwanden Leute zwischen Steinen und Felsen oder verirrten sich in dunklen Wäldern, während die Sterne des Himmels funkelten. Sie funkelten wie unzählige klare Augen draußen im Schwarzen; dem Schwarzen, das sich später über mich senkte, sternenlos ohne Mondlicht. Ich habe den Vater und den Sohn nie wiedergesehen und bin mir auch nicht klar darüber, welche Wirklichkeit hinter dem Vorfall lag. Hatte ich in eine andere Welt geschaut, dann hatte diese leibhaftig vor mir gestanden, doch falls dies die Wirklichkeit war, verstand ich nichts von ihr. Selbstverständlich verstehe ich die Wirklichkeit ebensowenig wie sie mich, in dieser Hinsicht sind wir quitt. Sie schuldet mir keine Erklärung für irgend etwas, und ich lege vor ihr Rechenschaft ab. Zweifellos wäre es gut, einfach sagen zu können, wie der deutsche Philosoph Hegel, als irgend jemand ihm mitteilte, seine Theorien seien nicht in Übereinstimmung mit der Wirklichkeit: "Arme Wirklichkeit, sie muß es sehr schwer haben." So können Dichter schreiben. So können Philosophen sprechen. Wir aber, die wir in Krankenhäuser eingewiesen und in Anstalten untergebracht sind, wir haben keine Antworten, wenn unsere Vorstellungen nicht in Übereinstimmung mit der Wirklichkeit sind, denn in unserer Welt sind es andere, die recht haben und den Unterschied kennen zwischen richtig und falsch. Die Pharmawolke hängt in der Luft, als stünden die Tage still. "Päll!" Ich schrecke zusammen, als ich meinen Namen höre, aber es sind keine Reaktionen zu sehen; sie sind weit weit weg, tief in der Wolke, die in der Luft hängt. Die Stille unendlich in der Tiefe der Augen. Sturm in kalter Windstille.
  • Ein preisgekrönter Roman über das Anderssein und den tiefen Wunsch nach Anerkennung und Toleranz. Ein wunderbares, ein berührendes Buch! Páll verbringt eine glückliche und unbeschwerte Kindheit. Er ist sehr kreativ, malt Bilder, die andere zum Staunen bringen und liebt es erfundene Geschichten zu erzählen. Doch als plötzlich die Kopfschmerzen sein Leben bestimmen zieht er sich immer mehr z ... Weiterlesen »