Berliner Lust (gebundenes Buch)

Berliner Lust

Kriminalroman

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783442751914
Sprache: Deutsch
Seiten: 287 S.
Fomat (h/b/t): 2.5 x 22 x 14.5 cm
Bindung: gebundenes Buch

Beschreibung

Ein spurlos verschwundener Informant, undurchsichtige Immobiliengeschäfte und eine gefährlich faszinierende Maklerin: Der neue Fall für Piet Hieronymus.

Leseprobe

Es gibt ein Alter, in dem man sich vorkommt wie ein Baum, der abzusterben beginnt. Die Krone lichtet sich, die Rinde löst sich ab, die Wurzel verliert an Kraft. Das Knarren des Stammes im Wind hört sich verdächtig an, und das Holz bietet dem Borkenkäfer des Zweifels keinen Widerstand mehr. Vielleicht versucht man dann, durch einen nach innen gerichteten Blick, die Jahresringe zu zählen. Und nicht nur zu zählen, sondern auch ihre Qualität zu begutachten, nach beginnender Fäulnis zu suchen. Schließlich sind die Ringe alle verschieden, denn keines der vergangenen Jahre glich dem anderen. In günstigen Jahren sind sie breit und von guter Konsistenz, in Zeiten großer Trockenheit eher schmal und brüchig. In einer solchen Lebensphase war ich jetzt wohl. Ich war unlängst sechzig geworden. Meinen Geburtstag hatte ich in der Blauen Maus gefeiert. Viel Bier, viel Genever waren geflossen, alles auf meine Rechnung natürlich. Ich meine die freundlichen Schläge von Händen auf meinen Schultern immer noch zu spüren. Sie sollten etwas Tröstliches, Aufmunterndes haben, das machte sie so fatal. Offenbar hatte ich derlei Zuwendung inzwischen bitter nötig. Die Blaue Maus in dem windschiefen Haus an der Gracht ist immer noch meine Lieblingskneipe. Sie ist für mich das eigentliche Herz von Groningen, dieser Stadt, die mir zuweilen vorkommt wie eine leichtlebige Matrone. Ich kenne einige Stammgäste seit Jahrzehnten und natürlich den Wirt, der immer noch ganz der Alte ist. Im Gegensatz zu mir schien er sich kaum verändert zu haben. Seine Glatze, sein glänzendes, rotes Gesicht, seine vierschrötige Gestalt strahlen Selbstvertrauen und innere Stabilität aus. »Was ist los mit dir, Piet«, sagte er. »Du wirkst auf mich wie ein leergeräumtes Grab. Da gibt es noch ein paar Knochen, aber ansonsten ist alles vorbereitet für den neuen Bewohner.« Er hatte zuweilen eine ziemlich drastische Art, sich auszudrücken. »Eigentlich geht es mir ziemlich gut«, sagte ich. »Und doch auch wieder nicht, wenn ich meine allgemeine Lebenssituation betrachte.« »Was meinst du damit?« »Nun, ich meine die Art wie ich lebe, was ich so mache, was dabei herauskommt. Ich komme mir vor wie ein Schiff vor Anker, dessen Ladung verrutscht ist. Ich bewege mich nicht mehr voran und bin dennoch in der Gefahr zu kentern.« »Verstehe. Und jetzt willst du einiges über Bord werfen, um wieder ins Lot zu kommen. Und dann willst du Anker lichten und Fahrt aufnehmen.« »So ist es. Nur weiß ich leider nicht, was die Krängung verursacht und wie ich das verrutschte Stückgut über die Reling bekomme. Vielleicht liegt es daran, dass ich zu viele Kompromisse eingegangen bin, im Gefühlsleben genauso wie beruflich.« Er lachte. »Mein Guter, das, was wir machen, ist immer von Kompromissen geprägt. Ist das Leben nicht überhaupt ein einziger Kompromiss zwischen Geburt und Tod?« Ich nickte und blickte mich um. Die meisten Gäste waren bereits gegangen. »Du weißt es so gut wie ich, mein lieber Piet, in allem, was wir tun, steckt immer ein bisschen Geburt und ein bisschen Tod. Beides hält sich im Idealfall die Waage.« Er stellte drei Schnapsgläser auf die Theke. Dann schenkte er sie randvoll mit Genever. »Die Runde geht auf mich. Ich trinke auf den Kompromiss. Du trinkst zwei. Einen auf das Leben und einen auf den Tod. Das wird dein Schiff wieder ein bisschen aufrichten.« Nachdem der Wirt seinen Laden geschlossen hatte, gingen wir in die Innenstadt auf einen jener legendären Kneipenbummel der Wirtsleute, bei denen ich als junger Mensch so gerne mitgemacht hatte. Die Anzahl der Lokale in Groningen ist frappierend. Doch alle gleichen sich irgendwie. Bunte Lichter, milde Farben, sanfte Holztöne, rauchige Balken, kupferne Zapfanlagen. Überall wurde getrunken und gegen laute Musik angeredet. Es war wie auf einem Basar der Illusionen. Jeder sein eigener Gefallener, jeder sein eigener Erlöser. »Auf welchem Planeten sind wir hier eigentlich«, schrie ich meinem Begleiter ins Ohr. Aus den Lautsprecherboxen kam lauter

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