Zwischen Partizipation und Plattformisierung (kartoniertes Buch)

Zwischen Partizipation und Plattformisierung

Politische Kommunikation in der digitalen Gesellschaft, Interaktiva, Schriftenreihe des Zentrums für Medien und Interaktivität, Gießen 14

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783593510675
Sprache: Deutsch
Seiten: 154 S.
Fomat (h/b/t): 1.2 x 21.5 x 14.2 cm
Auflage: 1. Auflage 2019
Bindung: kartoniertes Buch

Beschreibung

Wird über Digitalisierung diskutiert, dominieren meist Schlagworte die öffentliche Debatte. Doch was sind Social Bots und haben sie wirklich Donald Trump zum Sieg verholfen? Der Band skizziert relevante Entwicklungen der politischen Kommunikation in der digitalen Gesellschaft und akzentuiert gesellschaftspolitische Fragen zur Transformation von Öffentlichkeit und Demokratie. In den Blick geraten Formate digitaler Partizipation in Deutschland sowie die Präsidentschaftswahlen in den USA 2016 und die Wahl zum deutschen Bundestag 2017.

Autorenportrait

Erik Meyer, Dr. rer. soc., ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Autor und Dozent zur Digitalisierung von Kommunikation in Politik, Pop und Erinnerungskultur.

Leseprobe

Politische Kommunikation in der digitalen Gesellschaft Die Entwicklung von Online-Angeboten und die Diskussion über die Transformation politischer Kommunikation durch deren Nutzung ist in-zwischen selbst im deutschen Sprachraum kein neues Phänomen mehr. Spätestens seit der Jahrtausendwende ist das Thema aus den spezialisierten Diskursen der Netzkritik in eine breitere Öffentlichkeit gerückt. Dort strei ten seitdem »Apokalyptiker und Integrierte« (Umberto Eco) über die gesellschaftlichen Auswirkungen der jeweils aktuellen Erscheinungen. Das politische System selbst blieb davon abseits alarmistischer Debatten lange Zeit einigermaßen unbeeindruckt. Erst seit wenigen Jahren hat sich die Gestaltung der Digitalisierung in Deutschland als ein Aspekt etabliert, der nicht nur der Profilierung von Nachwuchspolitikern dient. Dabei setzt die Dynamik der kommunikations-technologischen Innovationen sowohl Beobachter als auch politische Entscheider unter Druck: Atemlos geraten jeweils neue Anwendungen und deren Auswirkungen in den Blick, werden als Chance oder Risiko begriffen und häufig zu den Akten gelegt. Politischen Akteuren, die Digitalisierung als ein Vehikel für Demokratisierung verstehen, scheint es genauso zu gehen. Paradigmatisch dafür ist der Auf-stieg und (vorläufige) Fall der Piratenpartei, aber auch die Desavouierung netzaktivistischer Projekte wie Wikileaks. In beiden Fällen hat dies zur Diskreditierung der damit verbundenen Konzepte in der öffentlichen Wahrnehmung geführt: »Liquid Democracy« und Transparenz stehen je-denfalls nicht mehr ganz oben auf der Wunschliste der Internet-Utopien. Stattdessen haben spätestens seit der Wahl von Donald Trump dystopische Perspektiven auf das populistische Potenzial sozialer Medien Konjunktur. Durch diese Entwicklung kann sich auch die Politikwissenschaft bestätigt sehen, die eine empirische Auseinandersetzung mit »dem Netz« eher anderen Disziplinen, dem akademischen Nachwuchs oder den Praktikern überlassen hat. In diese Leerstelle stoßen zunehmend datenjournalistische Ansätze, die das fehlende Verständnis für netzpolitische Faktoren seitens des Publikums durch die Evidenz der schieren Menge analysierter Daten sowie eine buchstäbliche Kartierung des Feldes kompensieren können. Was zwischen Mikro und Makro, Faktensammlung und (Vor-)Urteil dabei gerne auf der Strecke bleibt, ist der Versuch, technologische Entwicklungen und ihre politische Artikuliertheit zu vermitteln. Sofern sich ein solcher Versuch nicht an der Verifikation oder Falsifikation abstrakter Annahmen abarbeitet, sondern von normativen Vorstellungen bezüglich Bürgerschaft, Demokratie und Öffentlichkeit leiten lässt, weist er fast automatisch eine Nähe zur politischen Bildung auf: Hier müssen Inhalte weniger meinungsstark als in den Massenmedien sein, aber verständlicher formuliert werden als in den Fachwissenschaften. Die Analyse darf desillusionierend sein, sollte aber sensibel für Praktiken bleiben, die zur demokratischen Gestaltung des Gemeinwesens beitragen, auch wenn sie randständig sind. Die folgenden Fallstudien orientieren sich an dieser Agenda und behandeln zwei Bereiche: 1. Formate digitaler Partizipation im deutschen Mehrebenen- und Partei-ensystem sowie 2. die Plattformisierung politischer Kommunikation durch algorithmische Öffentlichkeiten am Beispiel von nationalen Wahlen in den Vereinigten Staaten 2016 und Deutschland 2017. Zwischen Partizipation. Im ersten Fall erschließt die Exploration exemplarisch sowie historisch-rekonstruktiv einen Aspekt, der die Auseinandersetzung von Beginn an begleitet und die Problematisierung bis heute prägt. So formulierte schon eine frühe Bestandsaufnahme die Frage: »Internet und Politik. Von der Zuschauer- zur Beteiligungsdemokratie?« (Leggewie/Maar 1998). Die Analyse zeigt hier, dass trotz einer Vielzahl verschiedener Verfahren und Anwender in der politischen Praxis bislang kein Königsweg gefunden wurde, um (Bürger-) Beteiligung durch Elemente der Online-Kommunikation in einer Art und Weise zu gestalten, die den damit verbundenen euphorischen Erwartungen entsprechen würde. Dies belegt sowohl die Integration betreffender Prozesse in den administrativen Alltag als digitales Anliegenmanagement, als auch das uneingelöste Versprechen einer Verflüssigung der (Parteien-) Demokratie durch digitale Dauer-Deliberation (»LiquidFeed-back«/Piratenpartei). Gleichzeitig lassen sich punktuell Konstellationen und Konfigurationen eruieren, die aus pragmatischer Perspektive dazu geeignet sind, dass relevante Akteure (Betroffene, Bürger, Stakeholder) Input und Feedback im Sinne einer Gesellschaftsberatung (Leggewie 2007) nicht nur online artikulieren, sondern auch dezidiert in (bürokratische, politische) Entscheidungsprozesse einspeisen. Was dabei als »gute Praxis« angesehen werden kann, bleibt allerdings bislang neben der Evaluation durch die anwendungsbezogene Forschung vor allem den Anbietern von Dienstleistungen und digitalen Beteili-gungsarchitekturen überlassen. Diesbezüglich stellt die Untersuchung von zunehmend verabschiedeten, vor allem kommunalen Leitlinien zur Bürgerbeteiligung insbesondere im Hinblick auf die dort formulierten Kriterien für den Einsatz von Online-Angeboten ein Desiderat dar. Dies gilt ebenso für eine problematisierende Bestandsaufnahme, die das um digitale Partizipation konstituierte Feld/Netzwerk von Akteuren aus Politik, pressure groups, Think-Tanks, Verwaltungen und Unternehmen charakterisiert und kartiert. Während betreffende Prozesse digitaler Partizipation bislang primär unter dem Aspekt der Modernisierung (von Verwaltung, Parteien, Beteili-gungsverfahren) implementiert wurden, deutet die Praxis von »pioneer communities« (Hepp 2016) kompetenter (zum Beispiel data literacy) zivilgesellschaftlicher Akteure aus dem Bereich des civic tech (Hacker, Maker, Programmierer) auf ein weitergehendes Potenzial. Vor diesem Hintergrund bleibt das mit der Digitalisierung verbundene Beteiligungsversprechen virulent. Ein auch seitens des politisch-administrativen Systems in Aussicht gestellter Kulturwandel der Datenoffenheit und des Open Government wäre aber eine Voraussetzung für seine Realisierung. Insofern die Fallstudie im April 2017 abgeschlossen wurde, sind inzwischen weitergehende empirische Entwicklungen zu beobachten, und gleichzeitig wurden seitdem auch relevante Studien publiziert. Exemplarisch sei hier für die deutsch-sprachige Forschung die Untersuchung von Große (2018) genannt, die das Thema »Benutzerzentrierte E-Partizipation« umfassend erschließt sowie problemorientierte Gestaltungsempfehlungen formuliert. Über die Umsetzung solcher Erkenntnisse seitens staatlicher Stellen lässt sich weni-ger sagen, aber im April 2018 wurde als ein wichtiger Schritt in diese Richtung vom IT-Planungsrat, der zur informationstechnischen Koordinierung von Bund und Ländern geschaffen wurde, eine Handreichung zu Anforderungen für E-Partizipationssoftware vorgelegt. Schließlich könnte das im August 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz - OZG), dessen Umsetzung Bestandteil des schwarz-roten Koalitionsvertrags auf Bundesebene von 2018 ist, etwa durch die Einführung von Nutzerkonten für Bürger auch einen Beitrag für die Optimierung von Online-Beteiligungsverfahren im Mehrebenensystem leisten. Angekündigt wurde im Koalitionsvertrag auch »eine Beteiligungsplattform für alle veröffentlichten Gesetzentwürfe der Bundesregierung [], die der transparenten Beteiligung von Bürgern und Verbänden dient und zu denen die Bundesregierung dann Stellung nimmt.« (CDU/CSU/SPD 2018: 46) Ebenso hat sich bei der Konzeption und Implementierung von Partizi-pations-Projekten einiges getan. Mein Überblick über Formate zur Beteili-gung ihrer Mitglieder für die im Bundestag vertretenen Parteien fokussiert vor allem das Innovationspotenzial im Vergleich zu den im europäischen Ausland erfolgreichen Bewegungsparteien (Meyer 2018). Für deren Mobilisierungser...