Deutsches Haus (gebundenes Buch)

Deutsches Haus

Eine Einrichtungsfibel

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783442301119
Sprache: Deutsch
Seiten: 224 S.
Fomat (h/b/t): 2.2 x 22 x 14.4 cm
Bindung: gebundenes Buch

Autorenportrait

Peter Richter wurde 1973 in Dresden geboren. Er studierte Kunstgeschichte in Hamburg und Madrid und arbeitet als Redakteur im Feuilleton der »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung«. Peter Richter lebt in Berlin. Nach »Blühende Landschaften« und »Deutsches Haus« ist dies sein drittes Sachbuch. Einem größeren Publikum ist Peter Richter auch bekannt durch seine Videokolumnen in der "Harald Schmidt Show" und auf faz.net.

Leseprobe

INHALT Das Problem Das Geburtshaus Die Kinderstube Das Jugendzimmer Wohnkarrieren Der Umzug Die Wohnlage Männer und Frauen Das Möbelhaus Die Heimerziehung Wohnen und Fernsehen Die Kindergartentantenhaftigkeit der Moderne Miete oder Eigentum Wohnen im Alter Das Sterbezimmer Das Grab Gekränkter Hausbesitzer erschlägt Innenarchitektin. Weil der Innenarchitektin seine Einrichtung nicht gefiel, hat sich ein Südafrikaner tödlich beleidigt gefühlt. Aus Rache ermordete er die Frau mit einer Axt. Johannesburg - Der 37-jährige Hausbesitzer José da Silva wurde schuldig gesprochen, seine Innenarchitektin Beatrice Harrowyn ermordet zu haben. 2001 hatte da Silva die zehn Jahre ältere Frau eingeladen, um ihr voller Stolz sein neues Haus in einer vornehmen Vorstadt von Johannesburg vorzuführen. Doch statt lobende Worte für das Dekor zu verlieren, kritisierte die Ausstatterin mit geübtem Blick die Inneneinrichtung - und traf damit da Silva an einer empfindlichen Stelle. »Wir gingen durch das Haus, und ich sagte ihr, was ich alles wollte«, berichtete da Silva laut der Zeitung »Star«. »Sie machte keine netten Kommentare über mein Haus, deswegen ging ich in die Garage und holte die Axt. Sie erinnerte mich an einen alten Schullehrer, den ich sehr gehaßt habe.« Da Silva sagte aus, Stimmen in seinem Kopf hätten ihm befohlen, ein Serienmörder zu werden. Spiegel Online, 16. Juni 2004. Vorwort Und so verläßt er die Höhle, fest entschlossen, durch seine Geschicklichkeit der Rücksichtslosigkeit und Unaufmerksamkeit der Natur abzuhelfen. Der Mensch will sich eine Unterkunft schaffen, die ihn schützt, ohne ihn zu begraben. Er wählt vier starke Äste aus, verbindet sie mit vier anderen, die er quer über sie legt. Darüber breitet er von zwei Seiten Äste, die sich schräg ansteigend in einem Punkt berühren, und bedeckt das so entstandene Dach mit Blättern, die vor Hitze und Regen schützen. MarcAntoine Laugier, Essai sur l'Architecture, 1753 Nur ein paar Jahrtausende, nachdem der Mensch also die Höhlen verlassen hat, um sich seine erste eigene Urhütte zu zimmern, sieht die Sache schon ganz anders aus: Aus den Baumstämmen sind Wände geworden, an der Innenseite der Wände hängen große flache Fernseher, und davor sitze ich. Ich sitze da, starre die Wand an und sehe: Wohnungen. Wohnungen. Wohnungen. Einrichtungsmagazine. Wohn-Shows. Deko-Soaps. Das erfolgreichste Fernsehformat der letzten Jahre. Es sind faktisch Horrorfilme, und sie handeln davon, wie der einzelne sich ins Private flüchtet - aber die Öffentlichkeit rückt gnadenlos hinterher und hält voll mit der Kamera drauf. Zu sehen sind: Wohnungen von völlig fremden Leuten, von Leuten, die es aufgegeben haben, die einfach nicht mehr weiterwissen. Sie hätte es auch gern endlich mal ein bißchen schön, sagt abgewirtschaftet die Frau, die dort wohnt, sie komme aber nicht dazu. Ganze Lebensläufe liegen da plötzlich vor einem, man kann in diesen Einrichtungsruinen lesen wie in einem offenen und leider leeren Sparbuch. Die Leute lassen die Hosen weiter herunter als in den schlimmsten Nachmittagstalkshows, zur Belohnung stellen einem die vom Fernsehen dafür aber auch eine komplett neue Einrichtung in die Wohnung. Schlichte, klare Formen, hell, zur Zeit meistens auch irgendwas in Orange, nächstes Jahr vermutlich dann in Gelb, und fast immer mit »Loungecharakter«. Vorher sah es aus wie bei jemandem zu Hause, nachher wie bei Ikea. Die Frau weint vor Freude. Ich weine auch. Aber vor Angst. Ja, ich habe wirklich Angst vor solchen Sendungen und den Frauen, die sie moderieren, vor Sonya Kraus und vor Enie van de Meiklokjes und am allermeisten vor Tine Wittler. Tine Wittler ist angeblich genauso alt wie ich, könnte aber meine Mutter sein, sie benimmt sich jedenfalls so. Ihre physische Erscheinung muß man mit dem Wort durchsetzungsfähig beschreiben, und ihre Sendung trägt nicht ohne Grund den martialischen Namen »Einsatz in vier Wänden«. Tine Wittler ist eine Wohnm