Das Glasauge (kartoniertes Buch)

Das Glasauge

Neue Kille Kille Geschichten

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783442728053
Sprache: Deutsch
Seiten: 192 S.
Fomat (h/b/t): 1.5 x 18.7 x 11.9 cm
Bindung: kartoniertes Buch

Beschreibung

Ein Augenarzt, der fremde Augen stiehlt, eine einsame Biologin, die einen riskanten Selbstversuch startet, ein Lastwagenfahrer, der durch seine Hilfsbereitschaft ein Ehepaar in den grausamen Tod treibt ... Fünfzehnmal beweist E.W. Heine im vorliegenden "Kille Killea€oe- Band seine Meisterschaft im Erzählen kurzer, sprachlich eleganter und anfangs scheinbar ganz harmloser Geschichten a€" deren makabre und hinterhältige Pointe den Leser am Ende unvorhersehbar niedermäht. Wie Heine seine treffsicher charakterisierten Figuren nach wenigen Seiten ins offene Messer laufen lässt, fasziniert fast wider Willen und lässt mit wohligem Schauer gespannt auf die nächste Pointe warten. Geschickt variiert der Autor dabei seine Themen, vom einsamen Sandstrand bis zur Weltraumkapsel reichen seine Schauplätze. "Das Schlimmste, das mir mit meinen Geschichten passieren könnte, ist die Vorstellung, dass ich jemanden langweilen würdea€oe, meintder Autor. Eine Befürchtung, die jede dieser 15 Geschichten aufs Trefflichste zu widerlegen versteht ...

Autorenportrait

E.W. Heine, in Berlin geboren, arbeitete über ein Jahrzehnt als Architekt in Südafrika und mehrere Jahre in arabischen Ländern. Er ist ein Meister der kleinen Form satirisch-makaberer Miniaturen wie der großen Form des opulenten historischen Romans. Mit seiner Mittelalter-Trilogie erweckt er höchst erfolgreich eine Welt voller Geheimnisse, Sinnlichkeit und Tragik zum Leben. Heine lebt als freier Autor in Bayern.

Leseprobe

Der November ist in Schottland ein trauriger Monat, ein Monat voller Regen, Nebel und Hoffnungslosigkeit. In solch einer Novembernacht quälte sich eine alte Fordlimousine durch den endlos rauschenden Regen, der alles umhüllte, sogar die Gedanken. Monoton zerrissen die Scheibenwischer den bleigrauen Wasserschleier. Das kalte Licht der Scheinwerfer huschte suchend über blankes Kopfsteinpflaster und sprang schemenhaft von Stamm zu Stamm der schlafenden Chausseebäume. Der Mann hinter dem Steuerrad hatte sich wie eine Schnecke in den Schutz seines Mantels zurückgezogen. Der hochgeschlagene Kragen und der weiche Filzhut gaben nur die Nase, eine Hornbrille und den Schnurrbart frei. Während Hände und Füße den Wagen mechanisch und selbständig wie Roboter bedienten, leuchteten hinter der Stirn farbige Gedankenbilder. Eine unendliche Welt aus Gefühlen, Gedanken und Träumen fuhr durch eine von Nebel und Dunkelheit eng begrenzte Umwelt. Beide Welten waren für den Mann am Steuer Wirklichkeit. Aber was war schon wirklich? Daß es nicht die Dinge waren, die man mit seinen fünf Sinnen erlebte, wußte der Mann aus eigener Erfahrung. Er war Augenarzt, genauer gesagt Professor für Augenheilkunde. In Fachkreisen war sein Name weltweit bekannt, denn niemand hatte so viele Blinde sehend gemacht wie er. Er transplantierte Augen, wie andere Blinddärme entfernten. Er wußte, daß Blinde Dinge sahen, die Sehende nicht wahrzunehmen vermochten. Die Welt außerhalb der fünf Sinne war eine Realität, an der nur Narren zweifeln konnten. Er wußte von diesen Dingen nicht nur als Arzt. Er war selber blind gewesen. Die Landstraße führte über einen Berg. Der Wind ergriff das Auto und schüttelte es wie ein Spielzeug. Der Regen peitschte gegen das Blech, als haßte er das synthetische Monster, das sich mit dröhnendem Motor durch die Novembernacht fraß, in der sich alles natürliche Leben in sich selbst zurückgezogen hatte und erstarrt zu sein schien. Die tiefe pessimistische Müdigkeit, die über dem Land lag, hatte keine Gewalt über den Mann hinter dem Steuer. Er hatte das Wochenende in seinem Landhaus in der Einsamkeit der Berge verbracht und befand sich jetzt auf dem Weg nach U., wo er eine private Augenklinik leitete, deren Patienten aus aller Welt zusammenströmten. Da er wie viele Gelehrte ein Nachtmensch war und an chronischen Schlafstörungen litt, reiste er in seiner alten Fordlimousine grundsätzlich nur nachts. Er liebte die Nachtfahrten, die nur ihm gehörten. Kein Telefon störte seine Gedankengänge. Er sah auf die Uhr. Es lagen noch gut zwei Stunden Fahrt vor ihm. Nach seiner Ankunft würde er ein heißes Bad nehmen. Dann standen ihm noch vier Stunden Schlaf zur Verfügung. Mehr schlief er nie. Professor Wilson wollte sich gerade eine Zigarette anzünden, da sah er im Rückspiegel die Lichter. Das Auto näherte sich mit großer Geschwindigkeit. Die Scheinwerfer lagen sehr tief wie bei einem Sportwagen. Es war ein Porsche, der zum Überholen ansetzte, ins Schleudern kam und mit der linken Seite einen Chausseebaum streifte. Er überschlug sich mehrere Male auf dem Kopfsteinpflaster, brach Funken stiebend in mehrere Teile auseinander und stürzte seitlich der Straße in den dunklen Straßengraben. Professor Wilson stoppte und lief zurück zu dem Wagen. Er lag mit dem Dach nach unten, die Räder drehten sich noch in voller Fahrt. Es roch nach Benzin und verbranntem Gummi. Der Fahrersitz war leer. Der Professor wendete seinen Wagen und parkte ihn so, daß das Licht der Scheinwerfer auf dem Autowrack lag. Ein paar Schritte neben dem Wagen lag in einer unnatürlich verdrehten Haltung ein Mann. Er hatte sich das Rückgrat gebrochen. Seine sterbenden Beine bewegten sich, als wollte er davonlaufen. Der Fremde war bei dem Aufprall durch die Windschutzscheibe geschleudert worden. Sein Gesicht war zerschnitten und blutete aus zahllosen Wunden. Oberhalb der Stirn am Haaransatz klaffte ein tiefer, sichelförmiger Einschnitt. Die Kopfhaut war bis zur Mitte des S ...