Bei uns in Auschwitz (kartoniertes Buch)

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783442737338
Sprache: Deutsch
Seiten: 427 S.
Fomat (h/b/t): 2.8 x 18.7 x 11.9 cm
Bindung: kartoniertes Buch

Beschreibung

Die Erzählungen des polnischen Auschwitzüberlebenden Tadeusz Borowski gehören zu den beklemmendsten Zeugnissen des 20. Jahrhunderts. Scheinbar moralisch indifferent beschreibt Borowski die Greuel der nationalsozialistischen Vernichtungslager aus der Perspektive des Kapos, der als Aufsichtsperson eine Rolle zwischen seinen Mithäftlingen und deren Mördern einnimmt, und verzichtet dabei auf eine klare Trennung zwischen Opfer und Täter.

Autorenportrait

Tadeusz Borowski, geboren 1922 in Schitomir (Ukraine), studierte Polonistik an der Untergrund-Universität in Warschau. 1943 wurde er verhaftet und nach Auschwitz deportiert, danach in andere Lager, zuletzt nach Dachau. Nach der Befreiung der Konzentrationslager hielt er sich in München auf, wo 1945 ein Gedichtband erschien. 1946 arbeitete er als Redakteur in Warschau, 1949/50 als Korrespondent in Berlin. 1951 nahm sich Tadeusz Borowski in Warschau das Leben.

Leseprobe

. ich bin jetzt also in der Schulung für Sanitäter. Ein gutes Dutzend aus ganz Birkenau hat man ausgewählt und wird uns beinahe zu Doktoren ausbilden. Wir sollen wissen, wie viele Knochen der Mensch hat, wie das Blut kreist, was ein Bauchfell ist, wie man Staphylokokken und Streptokokken bekämpft, wie man steril eine Blinddarmoperation durchführt und wozu eine Blähung gut ist. Wir haben eine sehr hehre Mission: Wir werden die Kollegen heilen, die das 'böse Schicksal' mit Krankheit, Apathie oder Lebensunlust plagt. Wir, ausgerechnet wir, ein gutes Dutzend Leute von den zwanzigtausend Männern in Birkenau, sollen die Sterblichkeit im Lager senken und den Lebensmut der Häftlinge stärken. Das sagte, als er schon im Wegfahren war, der Lagerarzt, und dann fragte er noch jeden nach Alter und Beruf, und als ich ihm antwortete: 'Student', hob er erstaunt die Brauen: 'Was haben Sie studiert?' 'Literaturgeschichte', erwiderte ich schlicht. Mit einem abfälligen Kopfschütteln stieg er in den Wagen und fuhr davon. Wir gingen dann auf einem sehr schönen Weg nach Auschwitz, sahen eine Menge Landschaft, dann teilte uns jemand irgendwo ein, als Gastpfleger in einem Krankenblock, mich hat das nicht sonderlich interessiert, weil ich mit Staszek (Du weißt, der, der mir die braune Hose gab) ins Lager ging, um jemanden zu finden, der Dir diesen Brief bringen würde, während Staszek zur Küche und zum Magazin ging, um fürs Abendessen ein Stück Weißbrot, einen Würfel Margarine und wenigstens eine Wurst zu organisieren, denn wir sind fünf. Natürlich fand ich niemanden, weil ich Millionär bin, und hier sind lauter alte Nummern und schauen mich sehr von oben herab an. Aber Staszek versprach mir, den Brief über seine Beziehungen zu befördern, nur solle er nicht lang sein, 'denn es muß ja langweilig sein, jeden Tag seinem Mädchen zu schreiben'. Während ich also lerne, wie viele Knochen ein Mensch hat und was ein Bauchfell ist, werde ich vielleicht herauskriegen, was Du gegen Deine Pyodermie tun kannst und gegen das Fieber Deiner Bettnachbarin. Ich fürchte nur, daß ich es selbst dann, wenn ich weiß, wie man einen Ulcus duodeni behandelt, nicht schaffen werde, die blöde Krätzesalbe von Wilkinson für Dich abzustauben, denn zur Zeit ist sie in ganz Birkenau nicht aufzutreiben. Bei uns pflegte man die Kranken mit Pfefferminztee zu begießen und dabei überaus wirksame Zauberformeln herzusagen, die ich hier leider nicht wiedergeben kann. Was die Begrenzung der Todeszahlen angeht: In meinem Block erkrankte ein Prominenter, es ging ihm schlecht, er fieberte und sprach immer häufiger vom Sterben. Irgendwann rief er mich zu sich. Ich setzte mich zu ihm auf die Bettkante. 'Man kennt mich doch im Lager, nicht wahr?' fragte er und schaute mir besorgt in die Augen. 'Wer würde dich nicht kennen - und wer könnte dich vergessen?' erwiderte ich arglos. 'Schau', sagte er, zum Fenster deutend, wo roter Feuerschein zu sehen war. Es brannte dort, hinter dem Wald. 'Weißt du, ich möchte gern allein liegen. Nicht mit anderen zusammen. Nicht im Massengrab. Verstehst du?' 'Keine Angst', sagte ich freundlich. 'Ich werde dir sogar ein Bettlaken spenden. Und ich rede auch mit den Leichenträgern.' Stumm drückte er mir die Hand. Aber es half nichts. Er wurde wieder gesund und schickte mir aus dem Lager einen Würfel Margarine. Ich benutze sie als Schuhwichse, denn das ist so eine aus Fischen gemachte Sorte. Das war mein Beitrag zur Senkung der Sterblichkeit im Lager. Aber lassen wir's dabei, weil es allzusehr nach Lager klingt. Seit fast einem Monat habe ich keinen Brief mehr von zu Hause bekommen. Herrliche Tage - keine Appelle, keine Pflichten. Das ganze Lager ist zum Appell angetreten, und wir stehen am Fenster, halb hinausgelehnt, Zuschauer aus einer anderen Welt. Die Leute lächeln uns zu, wir lächeln zurück, sie nennen uns 'Kollegen aus Birkenau', ein wenig mitfühlend, weil wir ein so elendes Schicksal haben, und ein wenig beschämt, weil das Schicksal es gut mit ih