Flughafenfische (gebundenes Buch)

17,95 €
(inkl. MwSt.)

Vergriffen

in den Warenkorb
Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783630873077
Sprache: Deutsch
Seiten: 173 S.
Fomat (h/b/t): 1.9 x 22 x 14.1 cm
Bindung: gebundenes Buch

Beschreibung

Ernst-Willner-Preis in Klagenfurt 2006 In der Ortlosigkeit eines Flughafens kreuzen sich die Lebenslinien dreier Menschen. Eine müde Magazinfotografin gerät vor dem Riffaquarium der Transithalle in den Schwindel fragmentierter Reisebilder aus Afrika und Asien. Sie findet eine seltsame Nähe zu dem Mann, der hier die stillen Tiere pflegt wie seine Kinder. Während sich zwischen den beiden eine verschwiegene Liebe entwickelt, geht nebenan im Raucherfoyer eine Ehe zu Ende. Variiert werden im Wendekreis der Fische die Muster von Sehnsucht, Einsamkeit und Paarungen. Es hatte keinen Anschlussflug gegeben; Elis streift durch den Transit. Sie zweifelt an ihrem Leben als Magazinfotografin. Auf einmal stockt sie vor einem riesigen Aquarium. Fische aus allen tropischen Meeren ziehen über Korallenbänke und Anemonenwiesen, während der Strom der Passanten den Glaskörper umfließt. Als sie Tobias entdeckt, der die Scheiben reinigt, beginnt sie, sich für diesen Mann zu interessieren. Auch er hat sie beobachtet, aus einem Grund, den sie nicht ahnt. Sie spricht ihn an. Er gibt Auskunft über Fischsymbiosen, Seepferdchenväter, die Fortpflanzung von Korallen; sie erzählt von Reisen, einer unglücklichen Liebe. Die beiden sprechen aneinander vorbei und geraten doch in eine vorsichtige Vertrautheit, die alles ändern kann. Im Raucherfoyer trinkt sich unterdessen ein alternder Biochemiker in einen finalen Ehemonolog. „Flughafenfische“ variiert im Transit eines futuristischen Airports die uralten Themen Liebe und Tod. Angelika Overath schreibt Romane als „Reportagen aus der Intimität“. Wo scheinbar nichts geschieht, öffnet sie irritierende und berührende Innenräume.

Leseprobe

Es war einer jener langen, unbedeutenden Nachmittage, und es sollte doch der letzte seiner Art sein. Und auch als es sp?r Nachmittag, wohl Abend geworden war in dieser Halle ohne Zeit, und als die Nacht begann mit all den glei?nd wei?n und bunten Lichtern drau?n vor dem Glas und als der Nebel zu einer Wand gewachsen war und die Rollfelder, die Start- und Landebahnen und die Flugzeuge einfach weggenommen hatte, selbst dann noch, als manche, widerjede Notwendigkeit, schon auf das Morgenlicht warteten (warum sollte die Sonne denn nicht aufgehen ?ber den silbernen Betonb?ern und dem tintigen Gras?), da geh?rte dies alles immer noch zu jenem langsamen Nachmittag, der damit begonnen hatte, da?Tobias' Augen auf der Bauchhaut des Rochen lagen. Er stand vor dem Aquarium. Der Rochen klebte flach mit ausgebreiteten Seitenflossen am Glas. Seine Unterseite war milchig wei? Und Tobias spielte gerne mit diesem Blick, bei dem er sich selbst sah (nur ein wenig, nur als Schemen mit bla?unklen Gesichtsz?gen) und zugleich denken konnte, er s? einen andern. Einen Mann, einen Fremden, der interessanter war als er, einen Reisenden im Staubmantel vielleicht und mit Hut, einen, den er gerne kennenlernen w?rde. Manchmal kam er dann einen Schritt n?r und starrte in die zwei dunklen ?fnungen ?ber dem Mund des Tieres, die so aussahen, als k?nne der Rochen mit ihnen sehen. Ein Gespenst, kreischte es, schau, ein Gespenst! Er drehte sich weg. (Immer wenn der Rochen so dahing, kreischte bald irgendein Kind.) Ein M?hen in rosageringelter Filzweste streckte jetzt seinen Zeigefinger gegen die dicke Scheibe und zog ihn schnell, in erschrockener Lust, wieder zur?ck. Nun sah es sich um, als suche es nach einem Echo seiner Begeisterung. Der Rochen klebte weiter an der Scheibe. Sein geschwungener schwarzer Mund stand offen wie ein kleines L?eln. Seine Nasenl?cher gaben ihm ein t?chendes Angesicht. Mit den flachen Flossen bot er sich an wie ein Gekreuzigter. Tobias sagte nichts. Das M?hen wippte vor dem Glas. Es trug einen kurzen, dunkelblauen Faltenrock, der sein H?pfen optisch verst?te. Wie eine beschleunigte Qualle, dachte Tobias. Ein Rochen, sagte m?de ein Mann. Langsam trat er von hinten an das Kind und legte ihm die Hand auf die Schulter, das ist ein Rochen. Von unten gesehen. Schau, das da ist der Mund, und da, die zwei ?fnungen, die Kiemen. Auch falsch, dachte Tobias, die Kiemen liegen tiefer. Einst hatten Seefahrer Rochen mitgebracht, auf den Schiffen getrocknete Rochen, die sie an Land als Wasserfrauen verkauften. Nur ein wenig zurechtgeschnitten, da und dort etwas abgebunden, und schon hatten diese Fische weibliche K?rper, etwas Engelhaftes auch. Geigenrochen, dachte Tobias, bewiesen die Existenz von Nixen. Jeder konnte sie anfassen. Und mit den Fingerspitzen ?ber die spr?den Falten ihrer nun fast gl?rnen Haut fahren. Ein Gespenst, schrie das Kind, mit Gespensteraugen! Schau doch, schau doch mal. Tobias senkte den Blick. Er kannte diese Szene in ihren t?ichen Varianten. Sie geh?rte zum Rochen wie seine wei? Bauchmaske, wie seine ge?ffneten Seitenflossensegel. Vater und Tochter standen an der Scheibe. Willst du etwas trinken, fragte der Vater, als m?sse er das Kind ablenken. Das M?hen nickte. Der Vater nahm seinen Rucksack von der Schulter und dirigierte die Tochter zu der Reihe von Plastiksesseln, die in einem geringen Abstand vor dem Aquarium standen. Bald sa?n beide nebeneinander und sahen auf das kleine Meer, das hier im Flight Connection Centre die fensterlosen Fluchten der Einkaufsareale abteilte vom Oval einer Ruhezone, deren Glasfront einen weiten Panoramablick auf die Flugzeuge bot. (Unter anderem ist es ein Raumteiler, dachte Tobias, unter anderem.) Es war ein buntbewegter Glask?rper, ein Segment Lagune, wie aus einem Ozean herausgeschnitten. Eine professionell arrangierte, bemessene Portion Korallenriff. Das M?hen sog selbstvergessen an einem gebogenen Trinkhalm und schaukelte mit den Beinen. Tobias sah seine mageren Waden und