An Bord der Titanic (kartoniertes Buch)

An Bord der Titanic

Kille Kille Geschichten

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783442731275
Sprache: Deutsch
Seiten: 160 S.
Fomat (h/b/t): 1.4 x 18.7 x 11.8 cm
Bindung: kartoniertes Buch

Beschreibung

E. W. Heines Kille Kille Geschichten strotzen von nachtschwarzen Bosheiten und sarkastischen Pointen, ihr Horror überwältigt den Leser mit sanfter, spielerischer Leichtigkeit. Heines Themen sind uralt: Liebe und Hass, Eifersucht und alle Arten von Gier, dazu das unerschöpfliche Arsenal menschlicher Gemeinheiten. Unter der Oberfläche des Alltags lauert das Böse. "Falls Ihnen die eine oder andere Geschichte zu schlimm erscheinen sollte, so lassen Sie sich sagen: Diese Geschichten sind frei erfunden. Kultivieren Sie Ihre Empörung. Gehen Sie sparsam damit um. Sie wird an anderer Stelle noch gebraucht", rät E. W. Heine und hält den Lesern - und sich selbst - mit sarkastischem Lächeln den Spiegel vor.

Leseprobe

Rien ne va plus", sagt der Croupier. Die Gespräche verstummen. Nur das Rollen der Kugel füllt den Raum. Auf dem grünen Tisch liegen mindestens zehntausend Dollar. Unerbittlich wie ein Komet zieht die Kugel ihre Bahn. Vierundzwanzig Augenpaare verfolgen ihren Lauf. Nur vor wenigen Altären herrscht eine Andacht wie hier am Roulettetisch. Hoffnung mischt sich mit Bangen, Jubel mit Verzweiflung. Herr, gib daß die Dreiunddreißig kommt! Mein Gott, bitte mach, daß die Dreiunddreißig gewinnt! Wie ein Planet, der um eine Sonne kreist, so umrundet der Ball die Mitte. Mit erlahmender Fliehkraft, langsam, viel zu langsam löst er sich von der Bande. Taumelnd stürzt er seiner letzten Bestimmung entgegen, fällt, prallt wieder empor, fällt, schlägt auf: Zero. Der Croupier harkt die Chips vom grünen Tuch. Niemand hat die Null gesetzt. "Die Bank hat gewonnen. Die Bank gewinnt immer", sagt meine Nachbarin. Sie ist eine auffallend schöne Frau. Auf Korsika und in Andalusien trifft man Menschen ihrer Rasse, heißblütig und stolz. Ihre Augen sind abgrundtief wie der Haß, wie die Liebe, wie der Schmerz, wie die Wollust. Ihren Blicken vermag sich niemand zu entziehen. Man erlebt sie als körperliche Berührung. Ich genieße ihre Blicke. Wenn sich unsere Augen begegnen, so hält sie mich fest, ohne sich zu offenbaren, rätselhaft wie die Augen einer indischen Gottheit. Aber ich ahne die Lava unter dem Eis. "Faites vos jeux", sagt der Croupier. Da ist Bewegung auf dem grünen Tuch wie in einer irischen Kneipe, wenn der Wirt den letzten Drink des Abends ausschenkt. Neuer Einsatz. Neue Hoffnung. Alle Blicke liegen auf dem Generalstabstisch des Glücks. Zehner, Hunderter, Tausender werden wie Armeen aufgestellt, zurückgezogen, zögernd und zu allem entschlossen. Die Arbeitszeit, Lebenszeit von Tagen und Wochen wird in die Schlacht geworfen. Alles oder nichts. "Machen Sie Ihr Glück", flüstert eine Stimme an meinem Ohr. Ihr Haar streift mich. Der Duft ihres Parfums verwirrt mich. Und dann - ich wage nicht hinzusehen - spüre ich ihre Hand. Sie tastet sich über meinen Schoß, öffnet mir die Hose, schlüpft wie ein scheues Tier durch das Labyrinth meiner Unterwäsche, taucht hinab in die Wärme meines erregten Fleisches. Ihre Berührung trifft mich wie ein elektrischer Schlag. Zärtlich umspielen mich ihre Finger, befreien mich aus dem immer enger werdenden Gefängnis meiner Hose. Ich bin wie gelähmt, erstarrt, vermag mich nicht zu rühren. "Schau mich an!" flüstert die Stimme neben meinem Ohr. "Wie heißt du?" Ich blicke in ihre Augen und bin verloren. Man sagt, die Mädchen in Thailand besäßen so kraftvolle Schöße, daß sie wie Venusfallen ihre Opfer festhalten könnten. So halten mich diese Augen, während mich ihre Finger verzaubern, vor allen Augen. Niemand nimmt Notiz von mir. Alle starren auf den Tisch. Die Kugel läuft. Ihre Hände gleiten über mein erregtes Fleisch, und während ich explodiere, sehe ich durch eine Nebelwand, wie sie alle ihre Chips auf den Tisch legt. Ich erwache von einem Schrei: Acht. Auf der Acht liegen fünf Chips ä tausend Dollar. Während ich verwirrt meine Blöße verhülle, kassiert sie einen Scheck von einhundertundachtzigtausend Dollar. Sie schiebt dem Croupier einen Tausender-Chip zu: "Fürs Haus." Und zu mir sagt sie: "Darf ich Sie zu einer Flasche Champagner einladen?" Die Bar ist fast leer. Sie erhebt ihr Glas: "Salute." Und dann erzählt sie mir die folgende Geschichte: "Zum erstenmal stieß ich auf das Phänomen durch Dr. Patrick Batterman, der sich im Zweiten Weltkrieg mit Sonderaufgaben der psychologischen Kriegsführung befaßt hatte, und zwar vornehmlich mit den Gesetzen der Serie. Er beobachtete mehrere Monate lang einige hundert männliche Spieler, die regelmäßig an Roulettetischen ihr Glück versuchten. Dabei stellte er mit Erstaunen fest, daß die Spieler, die von ihren Frauen oder Freundinnen begleitet wurden, achtfach höhere Erfolgschancen aufwiesen als diejenigen, die allein oder in Begleitung anderer Männer spielten. Warum das so ist